"Wesensgemäße Bienenhaltung"
geht
von der Erkenntnis aus, dass das Bienenvolk einschließlich seiner
Waben ein Organismus ist und respektiert »den Bien« in der
Tradition Rudolf Steiners und Ferdinand Gerstungs als ein Ganzes. Das
drückt sich insbesondere in der Wahrung der Integrität des
Brutnestes, Naturwabenbau und Vermehrung über den Schwarmtrieb aus.
Demeter-Bienenhaltung - was ist das?
Artikel aus Demeter-Seiten, März 2013
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Wesensgemäße Bienenhaltung entsteht durch eine respektvolle,
offenherzige Beziehung zu den Bienen. Die Art der Haltung orientiert
sich an den natürlichen Bedürfnissen und Instinkten des Bienenvolks.
Die Bienen dürfen sich über den natürlichen Schwarmtrieb vermehren und bauen ihre Waben selbst. Auf die gängige Praxis der künstlichen Königinnenzuchtwird
verzichtet. Das sensible Brutnest, das "Herz" des Bienenvolks, in
dem sich die Königin aufhält, wird nicht
gestört. Aktuelle wissenschaftliche Forschung bestätigt
heute die Bedeutung dieses Ansatzes für die Vitalität und
Gesundheit der Bienenvölker.
Die Wurzeln der wesensgemäßen Bienenhaltung liegen bei Rudolf Steiner (1861-1925) und Ferdinand Gerstung
(1860-1925), welche vor rund 100 Jahren die Grundlagen für ein
neues Verständnis "des Biens" als ein Lebewesen gelegt haben. Ihre
Wirkung blieb allerdings lange Zeit aus. Die Bienenhaltung wurde
weitgehend konventionell betrieben und war geprägt von technischen
Errungenschaften und einem mechanistischen Weltbild, das die Bienen zu
einem landwirtschaftlichen Produktionsmittel machte, dem man durch
Leistungszucht und verschiedene Manipulatione immer höhere
Honigerträge abgewinnen konnte.
Erst in den 1980er Jahren
kam es in Deutschland zu einer Wende: Mit der Ausbreitung der
Varroa-Milbe war man zum ersten mal mit einem großen
Bienensterben konfrontiert. In diesem Moment der existentiellen Krise,
in die die Imkerei geschlittert war, stellten einige Imker im Umfeld
der neu gegründeten Lehr- und Versuchsimkerei Fischermühle
ihre imkerliche Praxis grundlegend in Frage und begannen vor dem
Hintergrund der Äußerungen Rudolf Steiners und des Werkes
Ferdinand Gerstungs neue Betriebsweisen zu entwickeln. So wurde im Jahr
1985 Mellifera e. V. als Vereinigung für wesensgemäße Bienenhaltung gegründet.
Zwei Ziele standen
zunächst im Vordergrund: Rasch musste eine ökologische
Bekämpfungsmethode der Milbe entwickelt werden, um das
Überleben der Völker zu gewährleisten und die
Bienenprodukte frei von Rückständen zu halten. Zudem galt es
imkerliche Betriebsweisen zu entwickeln, die auf eine langfristig
angelegte Stärkung der Bienengesundheit orientiert sind. Durch
Beobachtung des Volksganzen, des "Biens", und seiner natürlichen
Bedürfnisse und Verhaltensweisen wurden so die Grundlagen der
wesensgemäßen Bienenhaltung gelegt. Die
„Bundesfachgruppe Demeter Bienenhaltung“ entwickelte dann
Richtlinien für die Art der Haltung, die seit 1995 der
Zertifizierung für Produkte aus Demeter Bienenhaltung dienen.
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Ein
gewaltiges Brausen durchdringt die Luft wenn der Schwarm auszieht, sich
zu einer Wolke ausdehnt, um sich bald darauf still in einer Traube
wieder zu sammeln.
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Schwarmtrieb
Die natürliche Art
der Vermehrung von Bienenvölkern ist das Schwärmen, es
ist Ausdruck von Fülle und Vitalität.
Ein gesundes, starkes Volk will im Frühjahr schwärmen. Dabei
verlässt die alte Königin mit einem Teil der Bienen den
Bienenstock. Der Schwarm sucht sich nun ein neues Zuhause und beginnt
dort sofort für ein neues Brutnest Waben zu bauen. Im
zurückgebliebenen Volk schlüpft eine neue Königin, die
erst nach dem Hochzeitsflug beginnt Eier zu legen und somit ein neues
Volk im alten Haus begründet. Sowohl im alten wie im neu
entstehenden Bienenvolk kommt es infolge des Schwärmens zu einer
Brutunterbrechung. Dadurch werden bakterielle Erkrankungen und auch die
Belastung mit der Varroa-Milbe reduziert. Schwärmen ist ein Akt
der Gesundung!
In der konventionellen
Imkerei wird das Schwärmen durch verschiedene Eingriffe konsequent
unterdrückt. Man versucht stattdessen die Kraft des Bienenvolkes
so zu bündeln, dass es einen maximalen Honigertrag gibt, denn von
einem schwärmenden Volk lässt sich im selben Jahr kaum Honig
ernten.
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"Weiselzelle", Wiege der Königin
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Königinnenzucht
Bei einer Vermehrung der
Bienenvölker über den natürlichen Schwarmtrieb wird die
künstliche Königinnenzucht überflüssig. Völker
in Schwarmstimmung ziehen sich selbst ihre vitalen Königinnen
heran, die dann am Standort selbst von mehreren, genetisch meist sehr
unterschiedlichen, Drohnen begattet werden.
In der
nicht-wesensgemäßen Imkerei wird das Schwärmen der
Bienen unterdrückt und die benötigten Königinnen werden
mittels eines vom Imker herbeigeführten Notzustandes
künstlich produziert. Die Begattung erfolgt dann auf isolierten
Plätzen, wo ausschließlich genetisch gleichförmige
Drohnen vorhanden sind, oder gar durch künstliche Besamung im
Labor.
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Frisch gebaute
Naturwaben sind strahlend weiß und so zart, dass das Licht
hindurch scheint. Arbeiterinnen in einem bestimmten Alter schwitzen
winzig kleine Wachsschüppchen aus und formen aus Millionen dieser
Schüppchen das kunstvolle Wabenwerk.
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Naturwabenbau
Das Wabenwerk ist
grundlegender Bestandteil des Organismus Bienenvolk. Die Waben
erfüllen dabei viele wichtige Funktionen. Sie bilden gleichsam das
"Skelett" des Körpers, das der "Bien" aus sich selbst heraus
erzeugt. Die Königin legt die Eier in die Zellen der Waben, worin
dann die Brut herangezogen wird. In den Waben werden zudem Honig- und
Pollenvorräte gespeichert. Die Waben dienen aber auch der
Kommunkation zwischen den Bienen im dunklen Stock, sie fungieren als
Tanzboden für den Schwänzeltanz und andere Ausdrücke der
Bienen-Tanzsprache, und indem sie feine Vibrationen, die
verschlüsselte Informationen enthalten, weiterleiten, können
Informationen in kürzester Zeit im ganzen Stock verbreitet
werden. Der Wabenbau wurde über viele Millionen Jahre hinweg
perfektioniert. Die Dynamik des Bauens ist besonders im Frühjahr
eines der schönsten Erlebnisse des Imkers. Für die
Volksgesundheit sind Wachsschwitzen und Wabenbauen wichtige hygienische
Maßnahmen, deren positiven Effekte mittlerweile
wissenschaftlich nachgewiesen sind.
Naturwabenbau findet man
heute nur mehr selten und meist nur bei wesensgemäß
arbeitenden Imkern. Üblicherweise werden den Bienen fertige
"Mittelwände" gegeben, das sind Wachsplatten mit eingeprägtem
Wabenmuster, die den Bienen den Wabenbau erleichtern sollen. Dabei
werden sie allerdings gezwungen, die Zellen nach der exakt vorgegebenen Zellengröße
in einem unnatürlichen Einheitsmaß zu errichten. Bei
Naturwaben bauen die Bienen eine Vielfalt unterschiedlicher
Zellgrößen, die Befestigung der
Waben erfolgt durch die Bienen so fein ausgeklügelt, dass die Waben frei schwingen und Vibrationen besser leiten
können und schließlich werden von den Bienen Löcher in den Waben angelegt, die
als Durchschlupf und zur Optimierung des Klimas im Bienenstock dienen. Auf all diese
Feinheiten müssen Bienen verzichten, wenn sie ihre Waben auf der
Grundlage von vorgefertigten Mittelwänden errichten müssen.
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biodynamische Bienenhaltung
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Demeter-Bienenhaltung – was ist das?
Artikel aus: "Demeter Seiten" vom März 2014 von Roland Berger
Bienen liegen uns am Herzen
Die
Honigbiene ist seit Urzeiten mythischer Begleiter des Menschen. Ihr
Fleiß ist sprichwörtlich, ihre biologische Leistungsfähigkeit
atemberaubend und ihre kommunikativen und sozialen Fähigkeiten sind bis
heute Anlass unablässigen Staunens. Ihr Leben und Wirken ist mit uns
Menschen auf das Engste verwoben. Ohne Bienen geht es nicht: Sie
produzieren Honig in unendlich köstlichen Varianten, sie werden über
Produkte wie Propolis, Gelée Royale, Blütenpollen, Bienenwachs und
Bienengift seit Beginn der Menschheit erfolgreich zur Prävention und
Heilung von Krankheiten eingesetzt, und vor allem sorgen sie auch für
die Bestäubung von Ostbäumen und von vielen anderen
landwirtschaftlichen Kulturen. 80% der auf Insektenflug angewiesenen
Nutzpflanzen werden durch die Honigbienen bestäubt. Der
volkswirtschaftliche Nutzen, der heute dadurch entsteht, macht das
Zehnfache des Honigertrags aus.
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Noch erträglich?
Die
zentrale Schlüsselrolle der Honigbiene im Beziehungsgeflecht
Mensch-Umwelt macht sie auch zu einem empfindlichen Indikator für
unseren Umgang mit der Natur, und so wundert es nicht, dass sie stark
unter Druck geraten ist: Da ist auf der einen Seite eine Umwelt, die
sich für die Bienen heute in weiten Gebieten als eintönige Agrarwüste
darstellt – das Ergebnis der Umwandlung einer einst vielfältigen,
blühenden Kulturlandschaft in maschinengerechte Ackerbauflächen und
eines permanenten Gift-Krieges gegen unerwünschte pflanzliche und
tierische Organismen. Und da ist auf der anderen Seite eine
Landwirtschaft, in der zunehmend die sogenannten ökonomischen Zwänge
den Umgang mit den Tieren prägen, wodurch aus ehemaligen Haustieren
Produktionsfaktoren gemacht wurden.
Der Drang,
die „tierische Produktion“ laufend zu optimieren, hat auch die Imkerei
voll erfasst und in den letzten 100 Jahren die alte Kunst der
Bienehaltung dramatisch verändert. Zahlreiche Maßnahmen haben sich
heute in der Imkerschaft durchgesetzt, mit denen man versucht, die
Entwicklung des Bienenvolks zu beeinflussen, um den Honigertrag immer
mehr zu steigern: Die Unterdrückung des natürlichen Schwarmtriebes ist
Standard. Stattdessen gibt es die künstliche Völkervermehrung über
Ableger und die künstliche Königinnenzucht mit einer einseitigen
züchterischen Selektion, oft sogar mit künstlicher Besamung der
Königin. Allgemein üblich sind auch Manipulationen am Brutnest, die
weitgehende Unterdrückung der Drohnen (männliche Bienen), der Einsatz
von künstlichen Waben (neuerdings sogar aus Plastik!) sowie eine
Winterfütterung mit reinem Industriezucker.
Wir
Imker können immer wieder mit großer Bewunderung feststellen, wie
unglaublich flexibel und anpassungsfähig das Bienevolk auf die
verschiedensten störenden Einflüsse reagieren kann. Es hat aber den
Anschein, dass wir Menschen drauf und dran sind, den Bogen zu
überspannen und den Bienen durch diese Art der industrialisierten
Landwirtschaft mehr zumuten, als sie in der Lage sind zu ertragen: Das
vielbeschworene „Bienensterben“ ist in weiten Teilen der Erde heute
traurige Realität.
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Eine Wende tut Not.
Das
stille Sterben der Bienen lässt kaum jemanden kalt, es geht unter die
Haut, mobilisiert und hat in Österreich auch schon Minister zu Fall
gebracht.
Sind die Bienen das Symbol für den unüberhörbaren Ruf
nach einer grundlegenden Neuorientierung in der Landwirtschaft? Und wie
könnte diese im Umgang mit den Bienen aussehen? Kann „Bio“ alleine die
Lösung sein? Auch in der biologischen Bienenhaltung sind die meisten
Maßnahmen der „modernen“ ertragsoptimierenden Imkerpraxis üblich. Die
Bio-Richtlinien beschränken sich weitgehend auf die Vermeidung von
Rückständen durch die Arzneimittel der Imker. In der Methode der
Völkerführung unterscheiden sich die meisten „Bio-Imker“ kaum von den
„konventionellen“ Imkern, die ihrerseits zunehmend ebenfalls darauf
achten, dass ihre Produkte frei von Rückständen sind. Gemeinsam ist
beiden ein mechanistisches Bild vom Bienenstock, dessen Ertrag sich
durch entsprechende Manipulationen steigern lässt.
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„Ich
habe im Verlauf meines Lebens gelernt, dass alle Menschen eine Neigung
zu einem bestimmten Tier, einem Baum, einer Pflanze oder einem
Fleckchen Erde haben. Wenn sie dieser Vorliebe mehr Beachtung schenken
und danach trachten würden, auch wirklich zu verdienen, was sie so
anzieht, dann würden ihnen ihre Träume sagen, wie sie ein
reineres Leben führen könnten. Ein Mensch soll sein
Lieblingstier auswählen und es studieren, bis er die Unschuld
seines Verhaltens versteht und seine Laute und seine Bewegungen deuten
kann. Die Tiere wollen sich dem Menschen mitteilen, aber Wakan Tanka
will nicht, dass sie es zu direkt tun – der Mensch muss sich
Mühe geben, sie zu verstehen.“
Brave Bufallo,
Medizinmann der Teton Sioux
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Eine Frage der Haltung
Der
Demeter-Verband ist der einzige, der in seinen Richtlinien einen
fundamental anderen, einen ganzheitlichen Ansatz im Umgang mit den
Bienen festlegt. Dabei versteht man das Bienenvolk als Organismus, als
„Bien“ und versucht seinem Wesen gerecht zu werden.
Rudolf
Steiner war einer der wichtigsten geistigen Wegbereiter im Bemühen, das
Wesen der Bienen zu erfassen und daraus entsprechende Anleitungen für
eine „wesensgemäße“ Bienenhaltung abzuleiten. In seinen Vorträgen für
die Arbeiter beim Bau des Goetheanums in Dornach hat er viel über die
Bienen gesprochen und dabei eine neue Begrifflichkeit vom Organismus
und Wesen des Bienenvolks geschaffen. Mit der Anthroposophie schuf er
die Grundlage dafür, das dualistische Weltbild, die Trennung von
spiritueller und materieller Seite der Wirklichkeit, zu überwinden.
Wesensgemäße Bienenhaltung basiert auf einer ganzheitlichen Betrachtung
des Bienenvolks und sucht den geistigen, seelischen und stofflichen
Aspekt des Bienenvolks zu verstehen. Dieser ganzheitliche Ansatz hat
Mitte der 1980er-Jahre zu einer grundlegenden Neuorientierung in der
Bienenhaltung geführt, die ihren Niederschlag in den
Demeter-Richtlinien für die Bienenhaltung gefunden hat. Mit großer
Achtung vor dem Bienenvolk und seinen Lebensäußerungen geht der
Demeter-Imker an den Bienenstock heran. Gemäß den Richtlinien „orientieren sich seine imkerlichen
Kulturmaßnahmen an den natürlichen Bedürfnissen des Bienenstocks. Die
Betriebsweisen sind so gestaltet, dass der BIEN seine natürlichen
Lebensäußerungen organisch entfalten kann. In der Demeter-Bienenhaltung
dürfen die Bienenvölker ihren Wabenbau als Naturwabenbau errichten.
Grundlage für Fortpflanzung, Vermehrung, Verjüngung und züchterische
Entwicklung ist der Schwarmtrieb. Eigener Honig ist wesentlicher
Bestandteil der Wintervorräte der Bienen.“
Demeter-Bienenhaltung ist im doppelten Wortsinn zu verstehen. Es geht
dabei nicht nur um die Frage, wie halte ich die Bienen? Es ist immer
auch eine Frage meiner Haltung gegenüber den Bienen. Wer so imkert, der
braucht viel Fachwissen über die Natur der Bienen, er wird aber auch
von den Bienen reich beschenkt werden und die Imkerei um vieles
beglückender erleben.
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